Noch zwei Irrtümer über Kampfkunst

Beim letzten Mal habe ich dir drei große Irrtümer über Selbstverteidigung vorgestellt und dir meine Meinung dazu erklärt. Leider (oder zum Glück für mich 😊) ranken sich um die Themen Kampfkunst und Selbstverteidigung noch zahlreiche weitere Mythen und Legenden, die es ein für alle Mal zu beenden gilt. Zwei weitere möchte ich diese Woche besprechen und (hoffentlich schlüssig) widerlegen, denn nichts ist in meinen Augen schlimmer, als irgendwelche Vorurteile, die uns daran hindern, uns mit den wirklich wichtigen Themen auseinanderzusetzen. Dazu gehört selbstverständlich auch das Thema Selbstverteidigung und im nächsten Schritt, für alle, die sich weiter damit beschäftigen möchten, die Kampfkunst.

Irrtum Nummer vier: Selbstverteidigung ist spektakulär

In den einschlägigen Filmen sieht man sehr oft, dass sich die Protagonisten meterweit durch die Luft werfen, mit unzähligen Fußtritten traktieren oder unglaublich komplizierte Kombinationen durchführen, um den Gegner zu besiegen. Dabei werden nicht selten die Gesetze der Physik arg strapaziert oder sogar komplett ad absurdum gefühlt. Im Film mag das gut aussehen, mit der Realität hat das jedoch recht wenig zu tun. Warum das so ist? Nun ja, wenn die Schauspieler dort „echte“ Selbstverteidigung vorführen würden, wäre das für die Allerwenigsten wirklich ansprechend. Richtige Selbstverteidigung, die auch in einem wirklichen Notfall funktioniert, kann gar nicht spektakulär sein, denn dann würde es viel zu viele Variablen geben, die schief gehen könnten. Ein hoher Fußtritt beispielsweise mag effektiv sein, wenn er trifft, ist aber recht leicht abzuwehren. Außerdem steht man nur auf einem Bein, was dem Gleichgewicht natürlich nicht gerade zuträglich ist. Ehe man es sich versieht, liegt man selber auf dem Boden anstatt den Gegner spektakulär auszuknocken.

Ein weiter, vielleicht noch gewichtigerer, Grund für unkomplizierte Selbstverteidigung ist die eigene Angst. Unter starkem Stress, wie er nun mal vorkommt, wenn wir ernsthaft um unsere Gesundheit oder gar um unser Leben fürchten müssen, werden wir immer auf das zurückgreifen, was wir wirklich können. Sind die Techniken dann zu kompliziert, werden wir auch nicht in der Lage sein, sie sinnvoll einzusetzen. Die Angst, dass etwas schief gehen könnte, wäre dann einfach viel zu groß.

 

Man kann in dieser Hinsicht viel von den Schwertkämpfern im alten Japan, den Samurai, lernen. Aus Film und Fernsehen sind wir Schwertkämpfe mit wild umherschwingenden Waffen, unzähligen Drehungen und sogar Sprüngen gewohnt. Ein echter Kampf sieht jedoch ganz anders aus: die Bewegungen sind minimalistisch und vor allem darauf bedacht, die eigene Deckung nicht zu vernachlässigen. Warum sollte man auch sein Schwert wild umherschwingen, dabei riskieren getroffen zu werden, wenn der kleinste Stich oder Schnitt schon tödlich enden kann.

Genauso, vielleicht etwas weniger blutig, sollten wir auch eine Selbstverteidigungssituation angehen. Das Wichtigste ist der Selbstschutz und dafür braucht es keine spektakulären Techniken. Alle guten Systeme haben vor allem eines gemeinsam: sie versuchen sich auf das Nötigste und Wichtigste zu beschränken, um den Schülern Sicherheit zu geben. Krav Maga beispielsweise versucht die körpereigenen Reflexe zu nutzen und daraus Selbstverteidigungstechniken zu entwickeln. Das ist in meinen Augen ein sehr guter Ansatz, der auch trotz großer Angst und Verwirrung erfolgversprechend ist. Das heißt natürlich nicht, dass alle anderen, vielleicht etwas schwierigeren Techniken völlig sinnlos sind. Ganz im Gegenteil: sie schulen den Blick und das Verständnis für den menschlichen Körper und seine Möglichkeiten. Du musst dir nur im Klaren darüber sein, dass sie erstens sehr viel mehr Übung benötigen und zweitens sehr viel schwerer anzuwenden sind. Diese Anwendungsproblematik ist demnach auch ein sehr großes Problem vieler Kampfsportler. Der Grund ist ganz einfach: mit wem trainiert man üblicherweise im Training? Viele haben einen festen Trainingspartner, einige trainieren mit anderen… Kampfsportlern. Kampfsportler und vor allem dir wohlgesonnene, bewegen sich jedoch völlig anders als untrainierte Leute. So kann es passieren, dass ein Wurf oder Hebel im Training wunderbar klappt, auf der Straße bzw. im „echten Leben“ wirkungslos bleibt. Ich empfehle daher immer, mit möglichst vielen verschiedenen Partnern zu üben. Möglichst mit solchen, die dir körperlich überlegen sind 😉.

Irrtum 5: Selbstverteidigung kann man schnell und einfach lernen

Neulich bin ich seit einiger Zeit mal wieder mit dem Zug gefahren und habe dort durch Zufall folgendes Gespräch mitbekommen:

Person 1: „Da war so ein Typ, der hatte ein Messer dabei. Da hatte ich schon ganz schön Angst. Wer weiß, was er damit vorhatte. Man hört ja in letzter Zeit so viel.

Person 2: „Ach, Messer ist gar nicht so schlimm. Ich war letztens in einem Selbstverteidigungskurs. Der Trainer dort hat mir erklärt, dass ich einfach nur auf diese Stelle schlagen muss, dann lässt er das Messer von ganz alleine fallen.“

Wenn ich sowas höre, sträuben sich bei mir die Nackenhaare. Man muss dazu noch sagen, dass es sich bei den beiden Personen nicht um 2m große, durchtrainierte Männer handelte, sondern um zwei recht zierliche Frauen mittleren Alters, die sich wahrscheinlich noch nie in ihrem Leben vorher mit dem Thema Selbstverteidigung auseinandergesetzt haben. Das bedeutet in meinen Augen, es trifft sie auch keine Schuld außer vielleicht einer gehörigen Portion Naivität und Gutgläubigkeit. Jeder, der sich auch nur ansatzweise mit dem Thema Selbstverteidigung beschäftigt, wird bestätigen können, dass es nie und nimmer so einfach ist, sich gegen einen Messerangriff zu verteidigen. Ein Messer stellt IMMER eine Gefahr dar, egal für wen und wie gut du ausgebildet bist. Es sei denn du bist Superman und musst derartige Banalitäten nicht fürchten…

Die wahre Schuld trifft hier jedoch den Trainer bzw. Kursleiter, der seinen Schülern solch unverantwortliche Dinge erzählt und sie somit in ein falsches Sicherheitsgefühl bringt. An sich ist Selbstsicherheit ja nichts Falsches und kann in vielen Situationen sehr hilfreich sein. In diesem Fall jedoch hat sie offensichtlich die weitere Beschäftigung mit dem Thema Selbstverteidigung verhindert, denn „alles ist ja so einfach“. Selbstverteidigung ist NICHT einfach! Um wirkliche Sicherheit zu erlangen bedarf es jahrelanger Übung und Ausbildung und selbst dann kann noch was schiefgehen. Man erhöht natürlich mit jeder Übungsstunde seine Chancen, unbesiegbar ist jedoch niemand.

Ich will damit nicht sagen, Selbstverteidigungskurse sind Unsinn. Auf keinen Fall, denn wenn du dich überhaupt mit dem Thema beschäftigst, bist du anderen schon meilenweit voraus. Wie sagte mir letztens noch ein ca. 14-jähriges Mädchen: „Mir passiert ja sowieso nichts. Die wollen mich gar nicht haben, weil ich die dann totlabere. ICH brauch keine Selbstverteidigung!“ Tja, schön dass es in unserem Land noch Menschen gibt, die sich eine derartige Einstellung leisten können 😊.

 

 

 

Unsere Kurse zu den Themen Selbstverteidigung und Selbstbehauptung sind geeignet für Kinder ab 4 Jahren, Jugendliche und Erwachsene. Ihr findet uns an folgenden Standorten:

Bersenbrück, Bramsche, Hasbergen- Gaste, Hesepe, Lappenstuhl, Osnabrück- Widukindland, Venne, Wallenhorst und Ueffeln.

 

 

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